Mittwoch, 12. Januar 2011

Es geht uns gut














Brisbane steht jetzt tatsächlich teilweise unter Wasser. Wir waren heute mittag unterwegs, um uns das Geschehen mal aus der Nähe anzugucken. Die schlimm betroffenen Gebiete haben wir nicht gesehen, wir sind nicht besonders weit gefahren, aber tatsächlich ist der Fluss um einiges voller und viel schneller und dreckiger als normalerweise. So schlimm, wie Spiegel Online die Situation beschreibt, ist es allerdings nicht. Dort steht: "Der Brisbane River rast nach den verheerenden Regenfällen im Hinterland mit tödlicher Geschwindigkeit durch sein Flussbett...". In Wirklichkeit fließt er so schnell wie langsame Fahrradfahrer, wir haben den Test gemacht. Die tödlichen Geschwindigkeiten sind in Toowoomba aufgetreten (und da war es nicht der Fluss), aber hier zum Glück nicht. Auch wird hier nicht zur "Flucht" aufgerufen, sondern zur Evakuierung. Ist vielleicht ähnlich, aber Flucht klingt so panisch, und Grund zur Panik gab es hier so weit ich weiß nicht.
Ironischerweise war heute den ganzen Tag schönes Wetter, und so konnten Kalle und ich endlich mal wieder Sonne tanken, als wir mit der Kamera unterwegs waren. Da Brisbane so hügelig ist, sind auf unserem Weg immer nur Teilstrecken von Straßen überflutet gewesen. Es gibt allerdings auch Stadtteile, die relativ flach sind, und die haben jetzt natürlich die größten Schwierigkeiten.
Es war wirklich ein komisches Gefühl. Die Sonne knallt vom Himmel, es sind kaum Autos unterwegs, dafür aber halbnackte Menschen, die sich die Wassermassen angucken und Fotos machen. Wer nicht seine Möbel durch die Gegend tragen muss hat auch Zeit dazu, denn es ist fast alles geschlossen, ich hab nur Supermärkte, Tankstellen und Kiosks offen gesehen. Auch unser Fitnesscenter ist zu, dabei droht unserem Viertel gar keine Gefahr. Es herrschte jedenfalls eine seltsame Atmosphäre der sonnigen, entspannten Ruhe, ohne den ganzen hektischen Verkehr. Sie wurde nur durch die Sirenen der Geschäfte und Fabriken unterbrochen, die alle paar Grundstücke geheult haben, als ob nicht jedem bewusst wäre, dass der Keller oder auch das Erdgeschoss in einer braunen Brühe versunken sind. Das fand ich übrigens erstaunlich, denn es wurde gesagt, dass in den überschwemmten Gebieten aus Sicherheitsgründen der Strom abgestellt werden sollte, aber das war er zumindest da wo wir waren wohl nicht.

Auf dem Fluss schwimmt natürlich allerlei Zeug rum. Neben einem versunkenen Fischrestaurant (was wirklich direkt am Fluss stand) ist ein Stuhl abgetrieben. Eine Tonne und ein Strohballen sind an uns vorbeigekommen, sowie eine größere Planke mit zwei Bänken drauf. Auf dem Foto sieht es aus als würde das Wasser die Bänke umspülen, aber sie treiben fröhlich den Fluss stromabwärts.
Die Straße, von der wir die Bänke treiben gesehen haben, war heute mittag teilweise nur 10 cm über Flussniveau und wird heute nacht, wenn um 4 Uhr der Höchststand erwartet wird (ca 5,5 m), garantiert überflutet sein. Wir konnten schon das Wasser aus den Gullis nach oben sprudeln sehen, und auf dieser Straße kamen aus einem randvollen Abfluss jede Menge Kakerlaken und anderes Getier panisch herausgekrabbelt, es sah aus wie auf einem Ameisenhaufen. Der grade geflutet wird...
Hubschrauber kreisen über der Stadt, der Busverkehr sollte seit Stunden eingestellt sein, und unser Supermarkt ist ziemlich leergekauft. Gemüse, Brot, Eier, Wasser, Milch gibts nicht mehr, und auch der Rest ist stark dezimiert. Im Moment sind wir aber gut versorgt.

Es ist ein komisches Gefühl zu wissen, dass im Stadtgebiet bis zu 20 000 Häuser und Geschäfte unter Wasser stehen und teilweise auch bis zum Dach, während man in seiner Wohnung sitzt oder zum Supermarkt fährt und alles wie immer aussieht. Wenn man die Bilder im Fermsehen sieht kann man gar nicht glauben, dass das nur 2 km entfernt sein soll. Im Fernsehen hatten sie heute auch einen Professor, der das verantwortliche Wetterphänomen La Nina erklärt hat. Das tritt etwas alle drei bis 7 Jahre einmal auf, ist also gar nicht so ungewöhnlich. Problematisch war dieses mal, dass der Ozean extrem warme Temperaturen hat und deshalb besonders viel verdunstetes Wasser in die Luft gekommen ist, was dann hier alles wieder in Unmengen heruntergeregnet kam. Diese Manifestation von La Nina hat im Mai letzten Jahres begonnen, sagte der Prof, und würde noch bis etwa dieses Jahr Mai andauern. Neeeeeiiiin!! Aber was will man machen?

Kalle ist in seiner Arbeit auch ein bisschen betroffen, denn man soll im Moment nicht im Labor arbeiten. Überhaupt ist sein Institut ziemlich verlassen.

Im Moment wird erwartet, dass die Überschwemmung noch bis etwa Samstag anhält. Derweil zieht das Wasser weiter und bedroht jetzt auch Orte in New South Wales, dem Staat südlich von uns (mit Goldcoast und Sydney, aber die scheinen nicht bedroht).
Überhaupt wäre Brisbane schon viel eher geflutet worden, wäre nicht vor ein paar Jahren ein Stausee mit Damm errichtet worden, um genau vor solchen Fluten zu schützen. Nur ist dieser durch den anhaltenden Regen der letzten paar Monate so voll, dass die Behörden jetzt Wasser ablassen müssen - welches genau jetzt um die Fundamente der Gallery of Modern Art dümpelt. Und im Mc Café in Milton fast bis zur Decke reicht. Würden wir heute zum Spieleabend an der anderen Uni wollen, müssten wir die halbe Strecke mit dem Boot zurücklegen.

So ist also die Situation, in Queensland reiht sich ein Katastrophengebiet an das nächste, die Verluste sind gigantisch, es gibt mindestens 12 Todesopfer und noch 67 Vermisste in der Umgebung von Toowoomba - und ich sitze hier gemütlich und hab keine Probleme. Die Welt ist ungerecht, wie immer, aber wir sind glücklich darüber, auf dem Trockenen zu sitzen.

Ach ja: Vor Krokodilen brauchen wir vorerst keine Angst zu haben, der Brisbaner Zoo hat sie angeleint ;-)

3 Kommentare:

  1. Oha, da ist ja ganz schön was los bei euch! Ich freue mich, zu hören, dass ihr im Trockenen und gut versorgt seit. Eine Bekannte von mir hat im facebook Fotos vom Nachbargarten gepostet, der direkt am Brisbane River liegt, und gesagt, sie wird wohl das untere Geschoss leer räumen, auch wenn ihr Grundstück etwas erhöht liegt... Im Radio hieß es heute früh, dass die Getreidepreise auf dem Weltmarkt seigen, weil bei euch die ganzen Ernten absaufen - ebenso wie die Minen eines der weltweit größten Kohleproduzenten, was wiederum die Stahlpreise in die Höhe treibt...
    Hier in D gibt es derzeit übrigens auch etwas Hochwasser, wegen Schneeschmelze und so, aber lange nicht so viel wie bei euch. Derweil haben wir in MS derzeit typisches Winterwetter - 8 Grad und Regen :P
    Ich drücke euch auf jeden Fall mal die Daumen, dass ihr weiterhin glimpflich davon kommt, Strom + Telefon/Internet erhalten bleiben und der Supermarkt bald auch wieder aufgefüllt wird!
    LG

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  2. Gut dass ihr euch eine Wohnung im "richtigen" Stadtbezirk ausgesucht habt !

    BTW, der Weltrekord fuer 400m ("bis zum Ufer") Freistil schwimmen liegt bei 3min43s - in etwa 6,5km/h. Das waere ja in etwa so schnell wie ein (sehr) langsamer Radfahrer. Also besser nicht ins Wasser fallen, es sei denn man ist Ian Thorpe, und moechte einen neuen Rekord aufstellen ;-) !

    Kai

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  3. Daumen sind weiterhin gedrückt - machts euch gemütlich und bleibt trocken! :-)

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